Kompressionsstrümpfe: Hilfsmittel gegen Lipödem

23.12.2021

Bei der Behandlung von chronischen Lipödemen wird einerseits versucht, mittels manueller Lymphdrainage (MLD) den Lymphabfluss zu verbessern, und andererseits wird eine Verringerung der aus den Kapillaren "filtrierten" Flüssigkeit angestrebt.

Wie wirken diese medizinischen Kompressionsstrümpfe?

Hierfür ist die Kompressionstherapie zuständig. Indem sie den Druck im Gewebe erhöht, erfüllt die Kompression eine weitere Anzahl von Funktionen gleichzeitig:

• Sie wirkt der Filtration entgegen, womit weniger Flüssigkeit ins Gewebe gelangt.
• Sie verringert den Abstand der Blutgefässe zu den Zellen, die daher besser mit lebenswichtigen Stoffen versorgt und auch von Abfallprodukten befreit werden.
• Sie verbessert die Funktion der Klappen, die Strömungsverhältnisse in Lymphgefässen sowie Venen und damit auch den lymphatischen und venösen Abfluss.
• Sie verteilt das Ödem über eine grössere Fläche, wodurch deutlich mehr Blut- und Lymphgefässe am Abtransport der Flüssigkeit beteiligt werden.
• Sie wirkt dem "Volllaufen" des Ödems durch die Schwerkraft entgegen.
• Sie aktiviert die Muskel- und Gelenkpumpe und verbessert daher auch den venösen sowie den lymphatischen Abfluss entgegen der Schwerkraft.
• Der oberflächliche Massage-Effekt des Kompressions-Gestrickes regt die Mikrozirkulation an, und der Stoffaustausch der einzelnen Körperzellen wird intensiviert.

Aber wann sollten die Kompressionsstrümpfe getragen werden? Die Antwort ist ganz einfach: Ausser nachts immer!

Nach Abschluss der "Entstauungsphase“ – d.h. wenn das Ödem nicht mehr weiter reduziert werden kann – wird versucht, das erreichte Ergebnis mithilfe einer massgefertigten Kompressions-Versorgung, also einem Flachstrickstrumpf, so gut und so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, was als Erhaltungsphase bezeichnet wird. In den meisten Fällen beschreibt die Erhaltungsphase die Zeit zwischen zwei stationären Reha-Massnahmen, dafür sieht das Gesetz einen Zeitraum von mindestens vier Jahren vor. Daraus wird ersichtlich, wie wichtig es ist, dass die Kompressions-Versorgung bedarfsgerecht gewählt wird und "wie eine zweite Haut“ passen muss.

Wie erhalte ich eine Versorgung mit den medizinischen Kompressionsstrümpfen?

Die Kompressions-Versorgung ist ein medizinisches Hilfsmittel, sie wird vom Arzt verordnet und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. 

Dabei muss der Arzt jedoch eine Vielzahl von exakten Angaben machen:

• Diagnose
• Anzahl der Versorgungsteile
• Massanfertigung, Flachstricktechnik
• Kompressionsklasse (wie viel Druck)
• Ausführung:

• Länge der Versorgung
• Hosenvarianten: Strumpfhose, Radlerhose, Caprihose
• zwei- bzw. mehrteilig

 Zusätze:

• schräge Abschlüsse
• zusätzliche Einkehren (z.B. an Knöchel oder Kniekehle)
• Erst-, Wechsel- oder Nachversorgung
• Erstausstattung (zwei Versorgungen möglich: eine zum Tragen, die andere zum Trocknen nach dem täglichen Waschen)
• Nachversorgung (jeweils immer nach max. 6 Monaten)
• Nach- und Wechselversorgung (einmal im Jahr als Jahresversorgung)

Als nächstes folgt der Weg zum Fachhändler (Sanitätshaus bzw. Apotheke), der die Verordnung bearbeiten soll. Er muss Sie aufklären über 

• Ihre Erkrankung sowie Informationen der Hersteller
• die weitere Therapie
• Flachstrick: was ist das, und warum diese Art
• den weiteren Ablauf (Kostenvoranschlag etc.)
• Sie werden einige Fragen beantworten, die sogenannte Anamnese (Zustandserhebungsbogen); eventuelle Zusatzerkrankungen und auch Ihr Beruf sind für den Versorger wertvolle Informationen für die spätere Versorgung
• Fotodokumentation, teils von den Krankenkassen gefordert
• Umfangsdokumentation der Hautmasse für eine Dokumentation des Verlaufs
• Festlegung der individuellen lymphologischen Versorgung
• Ausführung (einteilig oder mehrteilig)
• evtl. erforderliche Zusätze (Einkehren an Knöchel oder Kniekehle)
• Wahl des Herstellers
• Qualität
• Farbe
• Ggf. Rücksprache mit dem verordnenden Arzt, falls Ihre Anpasserin eine andere Variante in Erwägung ziehen sollte
• Kostenvoranschlag an die Krankenkasse senden

Nachdem der Fachhändler die Kostenzusage der Krankenkasse erhalten hat, nimmt er das Anmessen vor. Auch hier ist einiges zu beachten:

• der richtige Zeitpunkt des Anmessens

• unmittelbar nach der MLD
• nach Abnahme des LKV (und nach Bewegungstherapie mit LKV!)
• morgens nach dem Aufstehen
• Ort des Anmessens (in der Physiotherapiepraxis, im Sanitätshaus oder beim Hausbesuch)
• ggf. Anamnesebogen vervollständigen
• evtl. nochmals Fotodokumentation (z.B. bei Veränderungen zu Erstkontakt)
• Anmessen der Versorgung mit Dokumentation der Hautmasse/Körpermasse
• lymphologische bzw. "Unter-Zug"-Masse, nach denen Ihre Versorgung gestrickt wird 

Eine lymphologische Kompressions-Versorgung wird "unter Zug" gemessen, somit wird Ihre Bestrumpfung absichtlich kleiner als beispielsweise Ihre Beine. Betroffenen mit Lipödem kann das Anmessen unangenehm bis schmerzhaft sein – keine Angst, die Versorgung tut beim Anziehen oder wenn sie angezogen ist nicht weh, denn dann haben Sie flächigen Druck. 

Auch bei der Anprobe bzw. Abgabe der Versorgung ist einiges zu klären:

• Wann?

Unmittelbar nach der MLD?

Nach Abnahme des LKV (und nach Bewegungstherapie mit LKV)?

Morgens?

• Wo?

In der Physiotherapiepraxis?

Im Sanitätshaus?

Beim Hausbesuch?

• Einweisung in An- und Ausziehtechnik (ggf. mit An- bzw. Ausziehhilfen und mit Gummihandschuhen)
• Einweisung in Hautpflege, Handhabung sowie Waschen der Versorgung
• Anprobeprotokoll
• Fotodokumentation
• Evtl. einzuarbeitende Pelotten anzeichnen und Versorgung wieder an Hersteller schicken

 Wenn alles in Ordnung ist, unterschreiben Sie die Empfangsbestätigung oder Patientenerklärung für Ihre Versorgung.

Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie

• Empfang der Versorgung
• Einweisung (wie zuvor beschrieben) in:

An- und Ausziehtechnik

Handhabung und Pflege

Anprobeprotokoll

Passform der einzelnen Bereiche (Fusslänge, Beinlänge etc.)

• Rückmeldung bei (Passform-)Problemen

sofort bzw. innerhalb von 7-10 Tagen (Sie wissen spätestens nach drei- bis fünfmaligem Tragen (und Waschen), ob Ihr Teilchen passt oder nicht)

• Vereinbarung "Nachsorgetermin" zum Einholen des endgültigen Passform-OK's
  • telefonisch (mit Datum und Uhrzeit)
  • persönlich (bei Unklarheiten, Mängeln bei Passform oder Problemen beim An- / Ausziehen)

Wie oft und wann soll die lymphologische Versorgung verordnet werden?

• Wechselversorgung (baldmöglichst nach der Erstversorgung)

• sobald Sie sicher sind, dass Sie Ihre Erstversorgung anziehen und tragen können, und dies auch wollen
• Nachversorgung spätestens nach 6 Monaten, resp. sofort bei:

• Gewichtsveränderungen (ab ca. + / - 8-10 kg)
• Umfangsveränderungen (kontrollieren Sie Ihre eigenen Masse!)
• Therapiepause MLD (nach Ende des Regelfalls etc.)
• ermüdete Kompressions-Versorgung (Verschleiss etc.)
• Nach- und Wechselversorgung (zeitgleich bzw. unmittelbar nacheinander)
• spätestens nach 12 Monaten

Wie Sie sehen, ist die ganze Prozedur sehr aufwändig. Als Patientin bzw. Patient haben Sie das Recht auf kompetente Unterstützung durch das Fachpersonal (Sanitätshaus bzw. Apotheke).

Bekannteste Hersteller von medizinischen Kompressionstrümpfen:

Hier finden Sie eine Liste von einigen der bekanntesten Hersteller von Kompressionsstrümpfen:

BAUERFEIND, Belsana, Bort AktiVen, CEP, COMPRESSANA, Compressport, Juzo, LipoElastic, Lohmann &Rauscher, LUBEX, m-technologies, MEDI, ROHNER, SIGVARIS, Sockwell, Tempur, VARISAN, VASOprime und VENOSAN.

Nähere Informationen über das Lipödem finden Sie zudem unter: lipoedemclinic.ch